EBERHARD VOIGT - Legenden und Geschichten der Stadt Quedlinburg

Finkenherd

Hier an dem kleinen schmalen Fachwerkhaus am "Finkenherd" soll 919 der Sachsenherzog Heinrich mit seinen Söhnen Otto und Thankmar beim Vogelfang gewesen sein, als ihn Boten aufsuchten und die Nachricht überbrachten, er sei zum deutschen König gewählt worden. Die Boten trugen ihm die mitgebrachten Reichsinsignien an und setzten ihm die Krone auf das Haupt. Den Beinamen "der Vogler" behielt Heinrich auch als Herrscher und Gründer des deutschen Reiches.

Wie der Hund in's Stadtwappen kam

Die Tochter Heinrichs III. war so schön, dass sich ihr Vater in sie verliebte. Er bat Gott auf Knien, sein Kind so hässlich zu machen, dass er es schaffe, sich von ihm abzuwenden. Doch sein Flehen wurde nicht erhört. Die Kaisertochter litt sehr unter dem frevelhaften Gefühl und der Qual ihres Vaters. Deshalb schloss sie mit dem Teufel einen Pakt. Sie würde ihm gehören, um die Liebe des Vaters in Rachsucht und Hass zu wandeln. Allerdings nur, wenn er sie drei Nächte hintereinander schlafend fände. Um wach zu bleiben, webte sie ein kostbares Tuch. Dabei hatte sie ihr Hündchen Quedel zur Gesellschaft. Es stieß sie mit der Schnauze an und bellte laut, wenn sie einzuschlafen drohte. So vergingen die erste und die zweite Nacht. In der dritten Nacht umschlich der Teufel das Mädchen, aber der Hund ließ es nicht einschlafen. Vor Wut packte er das schöne Kind, drückte seine Nase breit und zerkratzte ihm das Gesicht. Schielend, großmäulig und plattnasig wurde sie von ihrem Vater verstoßen. Die Prinzessin ließ jedoch eine Abtei bauen, die sie nach dem treuen Hund Quedlinburg benannte.
Nach einer anderen Fassung wollte ihr Vater sie töten, da sie in der Nacht vor der Hochzeit die Jungfrau Marie gebeten hatte, sie hässlich zu machen und diese ihr den Wunsch erfüllt hatte. Er gewährte ihr jedoch Gnade, wenn sie in acht Tagen ein kostbares Altartuch riesigen Ausmaßes weben würde. Dabei half ihr der Teufel. Seine Gegenleistung, ihre Seele, sollte er bekommen, wenn er sie in der letzten Nacht zwischen 11 und 12 Uhr schlafend anträfe. Zu eben dieser Zeit überfiel sie eine große Müdigkeit und sie schlief ein. Ihr Hündchen Quedel, das sie auf ihrem Schoß hielt, wachte jedoch und weckte sie durch sein Bellen, als es den Teufel kommen hörte. Wutentbrannt tötete der Teufel den Hund. Die Prinzessin aber war frei. Quedel wurde ein Ehrengrab zuteil. Seitdem wacht er im Wappen der Stadt Quedlinburg.
Eine dritte Variante besagt, dass die Stadträte einst zusammensaßen und lang und breit berieten, wie sie ihre Stadt nennen wollten. Über ihrem eifrigen Beraten und Überlegen nahmen sie nicht wahr, dass sich der Stadt der Feind näherte. Da wurden sie durch das laute Bellen eines Hündchens gerade noch rechtzeitig aufgeschreckt. Aus Dankbarkeit über die Rettung ihrer Stadt nannten sie sie nach dem Hunde und nahmen ihn in das Stadtwappen auf.

Mönche und Nonnen

Bei Mönch und Nonne handelt es sich um zwei zusammengehörige Dachziegelarten. Die Mönche sind nach unten geöffnet und die Nonnen nach oben. Um die mit Nonnen gedeckte Dachfläche dicht zu bekommen, wurden also die Mönche als Fugenabdeckung auf jeweils zwei Nonnen befestigt. Verständlicherweise führte das zu allerlei Geschmunzel in der Stadt. Daraufhin verbot eine der Äbtissinnen aus Gründen der Pietät, die Dächer auf diese Art zu decken. Die Fugen der Nonnen wurden nunmehr nicht von einem Mönch abgedeckt, sondern mit einer Mörtel- oder Kalkleiste abgedichtet.

Warum es soviel Bärlauch im Brühl gibt

Die Mönche des dem Brühl benachbarten Wipertiklosters trafen sich, so will es die Legende, zwischen den Bäumen und Sträuchern häufig zu Stelldicheins mit allerlei Frauenspersonen. Darunter waren auch Insassinnen des Stiftes. Im 13. Jahrhundert ließ die Äbtissin Bertradis, um dies zu unterbinden, nicht nur den Mönchen den Aufenthalt dort verbieten, sondern auch überall im Brühl Bärlauch säen. Aufgrund des intensiven Knoblauchdufts der Pflänzchen, der im Stoff haften blieb, konnten Missetäter, die sich davon nicht abhalten ließen, erkannt und bestraft werden. Seitdem ist im Brühl überall diese Pflanze anzutreffen.

Der Leichnam der Aurora von Königsmark

Die ebenso kluge wie schöne und begabte Gräfin, die als Maitresse August des Starken ihm einen Sohn geschenkt hatte, kam Anfang des 18. Jahrhunderts als Pröbstin an das Quedlinburger Stift. Voltaire nannte sie die “geistreichste Frau Europas und die bemerkenswerteste zweier Jahrhunderte”. Im Jahre 1728 starb sie und wurde in der Gruft unter dem südlichen Seitenschiff der Stiftskirche beigesetzt. Dort mumifizierte Salpeter ihren Körper so gut, dass Augenzeugen noch heute sagen, ihre Schönheit sei deutlich sichtbar. Seitdem ein in einem Rosenstrauß mitgebrachter Rosenkäfer jedoch einige Schäden angerichtet hat, ist die Gruft für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich

Die Münzenberger

Über die Bewohner des Münzenberges, die aus den unteren Schichten der Bevölkerung kamen, wurden und werden sich mancherlei Anekdoten erzählt. Der Vater eines Neugeborenen beispielsweise soll seinen Sprössling aus dem Fenster gehalten und das reiche Quedlinburg gezeigt haben mit den Worten: “Alles, wat de seihst, is diene, darfst deck bloß nich von de Polente faten laten” Auf eine ähnliche Weise bestimmte sich auch die Berufswahl des Kindes. Man hielt dem Neugeborenen ein Instrument und eine Münze über die Wiege. Griff das Kind nach dem Instrument, wurde es Musiker, griff es jedoch nach dem Geld, wurde es ein Dieb. Die meisten sollen jedoch nach beidem gegriffen haben.

Die Zwergenlöcher am Münzenberg

Zum Münzenberg führt nur ein einziger befahrbarer Weg an der Nordseite, die Zwergkuhle. Im Norden sind in dem Felsen des Münzenberges zahlreiche kleine Höhlen und Spalten zu finden. Diese dienten einmal einem fleißigen Zwergenvölkchen als Behausungen. Aufgrund ihres Fleißes waren die Zwerge recht wohlhabend, um nicht zu sagen reich. Da die Bewohner des Berges zu den Ärmsten der Armen gehörten, kamen die Zwerge des Nachts mit allerlei Gaben beladen, und bedachten die Schläfer mit Speisen, Kleidung oder Spielzeugen. Eines Nachts entschlossen sich jedoch einige Münzenberger, sich bei den Zwergen zu bedanken. Als sie sie überraschten, fühlte sich das kleine Volk so gekränkt, dass sie noch in dieser Nacht den Berg verließen und nie zurückkehrten. Nur der Name erinnert noch heute an sie.

Nikolaikirche

Die Kirche musste wegen des sumpfigen Untergrundes auf Pfählen errichtet werden, was eine sehr kostspielige Angelegenheit für die Bürger der Neustadt wurde. Aus diesem Grund fehlte es am Geld für den Bau eines Kirchturmes. Eines Tages hüteten zwei Neustädter Schäfer ihre Herde und bedauerten, als sie die Glocke der Stiftskirche hörten, einmal mehr, das ihre Kirche weder Turm noch Glocke besaß. Es begab sich jedoch, dass ihre Hunde eine Truhe voll mit Gold und Silber fanden. Der Schatz soll so groß gewesen sein, dass sie einen Esel mehrmals beladen mussten, um ihn in die Stadt zu bringen. Ihre Herde brauchten sie nun nicht mehr selbst zu hüten, sondern konnten sich einem ruhigeren Leben widmen. Aus Dankbarkeit stifteten sie einen Großteil des Schatzes für den Bau eines Kirchturmes. Und da der Schatz so groß war, wurden gleich zwei Türme gebaut. An den Türmen wurden die beiden Schäfer mit ihren Hunden in Stein gehauen. Zumindest ließe sich so erklären, warum die Kirche im Volksmund “Schäferkirche” genannt wird.

Jungfernhohlweg

So wie es damals üblich war, hatte ein ausgedienter Kriegsveteran im Südosten der Stadt einen Höhenzug zur Rodung zugewiesen bekommen. Als der Abend sank, legte er sich ermüdet von der schweren Arbeit mit der Axt unter den letzten drei Bäumen nieder, um zu ruhen und schlief ein. Als er wieder erwachte, war es tiefe Nacht. Mit einem Male hörte Weinen und Klagen. In jedem der Bäume saß ein schönes Mädchen, das in Tränen aufgelöst war. Sie flehten ihn an, die Bäume zu verschonen, da sie sterben müssten, wenn er sie fiele. Im Gegenzug, so versprachen sie, würden sie Sorge dafür tragen, dass sein Acker immer die reichsten Früchte tragen würde. Der Mann versprach den Baumelfen, ihnen und ihren Bäumen kein Leid zu tun. Und auch sie hielten ihr Wort und gewährten ihm allzeit eine gute Ernte. Fortan wurde der Weg, der an den Bäumen vorbeiführte, “Jungfernweg” genannt. Als der Mann schon längst gestorben war, nahm einer seiner Nachkommen die Sage nicht ernst und fällte die Bäume. Von diesem Tag an verödete die Feldflur, und Dürre und Missernten suchten ihn heim.

Wie der Gänsehirtenturm zu seinem Namen kam

Einst verdingte sich ein junges Mädchen namens Katharina bei einem der Bauern in der Stadt als Gänsemagd. Sie war freundlich und wunderschön. Ihr Herr, der Bauer Hallstein, warf ein Auge auf sie. Sie weigerte sich jedoch hartnäckig, auf sein Ansinnen einzugehen. Je länger sie standhaft blieb, desto schlechter behandelte er sie. Dennoch hütete sie zuverlässig jeden Tag seine Gänse. Nach einiger Zeit erkrankten die Gänse. Jeden Morgen lag früh eine von ihnen verendet im Stall. Doch trotz dieses Druckmittels Katharina gab seinem Drängen nicht nach. Wutentbrannt zeigte der Bauer Hallstein sie wegen Hexerei an. Vom Tribunal wurde sie verurteilt, auf dem Marktplatz bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden. Sie wurde auf dem Schinderkarren zum Markt gefahren, der von vielen Menschen begleitet wurde. In der Zwischenzeit bedeckte sich der Himmel und kündete ein schweres Gewitter an. Just als sie hinter der Mauer an den Türmen vorbeikamen, zuckte der erste Blitz vom Himmel. Das Pferd erstarrte vor Schreck und lief nicht weiter. Katharina nutzte den Moment, da alle mit dem Tier beschäftigt waren und sprach zu dem Waisenkind, das in dem Turm wohnte und das sie erkannte: “Darlina, wenn ich schuldig bin, wird die Asche meines Körpers leer bleiben. Bin ich jedoch unschuldig, findest du das goldene Ei einer Gans in ihr. Meine Seele wird dann im Himmel sein. Hüte und bewahre das Ei wohl, es wird dir ein Quell ewiger Kraft sein. Lebe wohl, Darlina!” Als die Flammen des Scheiterhaufens emporschlugen, erhob sich plötzlich eine schneeweiße Gans über ihm und flog mit einem gellenden Klageschrei gen Himmel. Verantwortliche und Zuschauer waren wie gelähmt. Da kam aus der Menge eine schluchzende Stimme: “Die Gänsemagd war unschuldig!” Das Gewitter entlud sich über dem Markt und vertrieb die Menschen. Nur das Waisenmädchen blieb und versteckte sich unter einem Torbogen. Als der Sturm vorüber war, ging sie zu dem Aschehaufen und fand darin das goldene Ei. Sie trug es in ihren Turm, und des Nachts versammelte sie alle anderen Gänsehirten der Stadt, erzählte ihnen, was sie wusste und zeigte es ihnen. Sie erkannten, dass Katharina Lügen zum Opfer gefallen war und schworen sich, zueinander zu stehen. Sie kamen seit diesem Abend regelmäßig in dem Turm zusammen, um sich gegenseitig zu helfen. Durch die Treffen und die Geschichte mit dem Ei wurde der Turm bald zum Gänsehirtenturm.

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